Was ist biozyklische Humuserde, und welche Bedeutung hat sie für den Übergang zu einem biozyklisch-veganen Lebensmittelproduktionssystem?

Biozyklisch-vegane Kompostveredelung zur Herstellung von Biozyklischer Humuserde in ihrer Bedeutung für die Transformation der Landwirtschaft

Einleitung

Wenigen ist bewusst, dass das Überleben der Weltbevölkerung von einer wenige Zentimeter dünnen Humusschicht im oberen Teil der land- und gartenbaulich nutzbaren Oberfläche unseres Planeten abhängt. Durch den Einsatz wasserlöslicher Nährsalze zur Pflanzenernährung war es zwar vorübergehend möglich, die Erträge zu steigern, doch gleichzeitig wurden und werden dabei die natürlichen Mechanismen, die zur Bodenbildung und damit zum Aufbau von Fruchtbarkeit führen, nachhaltig geschädigt. Über Jahrzehnte unbemerkt degradierte daher der überwiegende Teil der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Der Verlust an natürlicher Bodenfruchtbarkeit, der auch als Verlust an organischer Substanz ausgedrückt werden kann – ein Prozess, der große Mengen an Kohlenstoff freisetzt – wurde durch immer höhere Aufwandmengen an chemisch gewonnenen Nährsalzen kompensiert, was über die dafür notwendige Verbrennung fossiler Brennstoffe noch mehr Kohlenstoff in der Atmosphäre freisetzt. Dieser selbstzerstörerische Vorgang kann nur durch Maßnahmen zur gezielten Bodenbildung unterbrochen werden.

1.  Herstellung von Qualitätskompost

Biozyklisch-veganer Anbau bedeutet nicht nur Verzicht auf kommerzielle Tierhaltung und den Einsatz jeglicher Art von tierischen Exkrementen oder Tierkörperteilen zur Düngung oder Pflanzenbehandlung, sondern auch Förderung der Biodiversität und vor allem Schließen von lebendigen Stoff- und Energiekreisläufen, was mit dem Begriff „biozyklisch“ (bios (gr.) = Leben, kyklos (gr.) = Kreislauf) zum Ausdruck gebracht wird. 

Das Schließen solcher Kreisläufe kann dabei keineswegs nur innerhalb des eigenen Betriebes, sondern muss auf vier Ebenen stattfinden. 

  1. Innerbetrieblich, z.B. Kompostierung, Mulchen oder andere Nutzung von Ernterückständen, Grünschnitt (z.B. von nicht mehr für die Tierhaltung genutzten Grünlandflächen, Begleit- oder Gründüngungspflanzen, z.B. mit Cut & Carry-Verfahren);
  2. Lokal, z.B. eigenbetrieblich oder betriebsnahe Kompostierung von organischen Nebenprodukten der Lebensmittel- oder Energieerzeugung, wie z.B. Obsttrester, Zuckerrübenschnitzel, Packhausausschüsse, Wasch- und Putzreste bei der Aufbereitung von Gemüse und Kräutern, Gärrestverwertung von pflanzenbetriebenen Biogasanlagen, Häckselgut aus der kommunalen Park-, Straßen- und Landschaftsgestaltung, Sägemehl und Holzschnitzel aus der Forstwirtschaft;
  3. Regional, z.B. durch Einsatz von Fertigkomposten aus anderen Regionen mit Biomasseüberschuss, Bezug von Rohmaterialien zur eigenbetrieblichen Kompostierung aus entfernter gelegenen Quellen wie unter Punkt 2;
  4. Global, z.B. Einsatz von aufbereiteter Biomasse aus aquatischen bzw. maritimen Ökosystemen, Einsatz von Urgesteinsmehlen oder anderen Mineralien, welche zwar in großen Vorkommen, aber nur punktuell anzutreffen sind. 

Während das Schließen von Stoffkreisläufen auf innerbetrieblicher Ebene je nach Art und Umfang der vorhandenen pflanzlichen Biomasse mit Hilfe verschiedener Aufbereitungs- und Einarbeitungsverfahren bewerkstelligt werden kann, ist für die Aufbereitung von Biomasse lokaler und regionaler Herkunft die Kompostierung unerlässlich. Ob ein Betrieb selbst kompostiert oder auf betriebsextern produzierten Kompost zurückgreift, hängt von den individuellen betriebswirtschaftlichen und örtlichen Gegebenheiten, aber auch von der jeweiligen Rechtslage ab. 

Um Kompost der höchstmöglichen Qualitätsstufe herstellen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Zu diesen Voraussetzungen gehören:

  1. Eine Grundfläche, die ca. 25-30% des gesamten zur Kompostierung benötigten Geländes entsprechen sollte, muss sickerwasserdicht versiegelt werden können.
  2. Es muss ein Kompostwender und eine geeignete Antriebsmaschine mit Superkriechgang zur Verfügung stehen.
  3. Es müssen Messinstrumente zur Bestimmung des Temperaturverlaufs, des CO2-Gehalts und der Feuchtigkeit eingesetzt werden.
  4. Um den Feuchtigkeitshaushalt während der Rotte steuern zu können, werden Kompostschutzvliese und ein Bewässerungssystem benötigt.
  5. Der oder die für die Kompostierung Zuständige muss über ausreichende Kenntnisse verfügen und sollte einen Qualifikationsnachweis in Biozyklischer Kompostierung (auf der Grundlage des Lübke-Hildebrandt-Verfahrens) besitzen. 

Ziel der für den biozyklisch-veganen Anbau besonders geeigneten aeroben, offenen Reihenkompostierung ist die Optimierung der Rotteführung unter größtmöglicher Vermeidung von Veratmungs- und Sickerverlusten in den anfänglichen Rottestadien. Dies kann nur durch die konsequente Schaffung optimaler Entwicklungsbedingungen für die mikrobiellen Abbauprozesse erzielt werden, wozu beispielsweise auch die Vermeidung zu hoher Kompostmieten oder -reihen zwecks deren besseren Belüftbarkeit gehört. Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass die Verrottung von organischer Substanz nur unter Anwesenheit von Sauerstoff zu aufbauenden und gesundmachenden Rotteprodukten führt. Es wird zurzeit neben einem Schulungsangebot zur biozyklisch-veganen Kompostierung auch an einer Smartphone-Applikation gearbeitet, die es allen Betreibern von Kompostanlagen, ob landwirtschaftlich oder kommerziell, die nach dem Biozyklischen Kompostierungsverfahren arbeiten wollen, ermöglicht, die für die optimierte Kompostbereitung entscheidenden Parameter online zu verfolgen und an der Internationalen Biozyklischen Humuserde-Initiative mit vertraglich geregeltem Monitoring- und Verteilersystem teilnehmen zu können. 

Am Ende des Biozyklischen Kompostierungsverfahrens steht Biozyklischer Pflanzkompost, ein nährstoff- und krümelstabilisierter Qualitätskompost, der bereits so wurzelfreundlich ist, dass er unmittelbar in der Landwirtschaft und im Gartenbau eingesetzt werden kann. Bei der Ausbringung von Kompost sind allerdings je nach den geltenden gesetzlichen Auflagen Höchstmengenbeschränkungen zu beachten. So korreliert die deutsche Düngeverordnung die pro Hektar maximal auszubringende Menge an Kompost mit dem Gehalt an Stickstoff und beschränkt die über Kompost verabreichte Menge an Gesamt-Stickstoff unabhängig vom Reifegrad auf 170kg pro ha und Jahr bzw. bei einer einmaligen Kompostdüngung innerhalb von drei Jahren auf maximal 510kg pro Hektar (LINTZEN 2020).

Herstellungsverfahren und das daraus entstandene Produkt können von CERES entsprechend im Hinblick auf ihre Eignung für den biozyklisch-veganen Anbau zertifiziert werden. Im Rahmen der biozyklisch-veganen Kompostierung ist die Bereitung von Biozyklischem Pflanzkompost allerdings nur der erste Schritt zur Herstellung von Biozyklischer Humuserde, welche im nächsten Abschnitt näher beschrieben wird

2.   Veredelung von Qualitätskompost zu Biozyklischer Humuserde

2.1 Der Unterschied zwischen Kompost und Biozyklischer Humuserde

Bringt man gut verrotteten, nach Möglichkeit sogar krümel- und nährstoffstabilisierten Kompost auf den Acker oder das Gemüsebeet aus, wird in der Regel das Bodenleben der damit gedüngten Fläche unmittelbar belebt. Man spricht daher zu Recht bei Kompost von einem Bodenverbesserer. Die Verbesserung beruht auf einem raschen Anstieg der mikrobiellen Tätigkeit und der Vermehrung der teils im Kompost, teils im Boden angesiedelten Bodenlebewesen, die in den mehr oder weniger stark abgebauten organischen Bestandteilen des Kompostes ein reichhaltiges Nahrungsangebot, sowie ideale Überlebensbedingungen vorfinden. Aufgrund dieser Kombination von Faktoren kommt es rasch zum nahezu vollständigen Abbau der dargereichten organischen Substanz. Die Wachstumsdynamik der Bodenlebewesen kann sogar so stark begünstigt werden, dass nicht nur die im Kompost enthaltenen, sondern auch im Boden vorhandenen, noch nicht vollständig abgebauten Bestandteile an organischer Substanz verstoffwechselt werden. Dabei muss ebenfalls bedacht werden, dass auch jeder mechanische Eingriff in den Boden, wie etwa beim 

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Fräsen, Grubbern oder Pflügen, das Bodenleben zu vermehrter Tätigkeit anregt, was zu einer Steigerung der mikrobiellen Abbaurate führen kann. Der in der organischen Substanz enthaltene und durch das mikrobielle Wachstum freigesetzte Kohlenstoff wird zum einen Bestandteil beim Aufbau von Pilzen, Bakterien und anderen Bodenlebewese, zum anderen wird er veratmet und gelangt auf diese Weise wieder in die Atmosphäre. Daher bedeutet das Ausbringen von Kompost an sich noch nicht, dass Kohlenstoff dauerhaft in Form von Dauerhumus im Boden verbleibt. Es besteht daher berechtigte Kritik an der Auffassung, man könne durch systematische Verabreichung von Kompost zu einer dauerhaften Bindung des atmosphärischen Kohlenstoffs im Boden und damit zur Milderung der Erderwärmung und des Klimawandels beitragen. In der Regel ist der mit Gründünung, Kompost und anderen Verfahren verabreichte Kohlenstoff nach ein bis zwei Vegetationsperioden dem Boden wieder entwichen und es kommt nicht zum erwünschten Humusaufbau (KÖGEL-KNABNER 2008).

Anders verhält es sich mit biozyklischer Humuserde, einer bislang noch weitgehend unbeachteten Form von Dauerhumus. Jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Bereichen der Bodenbiologie und Pflanzenernährung bestätigen die von der Projektgruppe „Biocyclic Park“ um Dr. agr. Johannes und Lydia Eisenbach in Kalamata/Griechenland seit 2005 gewonnene Erkenntnis, dass pflanzlicher Qualitätskompost („Biozyklischer Pflanzkompost“) mit Hilfe einer gezielten Nachreifebehandlung unter Einbeziehung von Mischkultursystemen zu einem nährstoff- und kohlenstoffstabilisierten Bodensubstrat veredelt werden kann. Dabei wird der ursprüngliche Kompost unter Einwirkung einer permanenten Bepflanzung durch Mischkultur allmählich so transformiert, dass es zur Ausprägung völlig neuer Eigenschaften kommt, so dass das Material nicht mehr als Kompost, sondern mit dem Begriff „Humuserde“, als einer neuen Kategorie organischer Substanz, bezeichnet werden muss. 

Zur Bestimmung, ob das Veredelungsmaterial bereits als Biozyklische Humuserde bezeichnet werden kann, dienen folgende Kenngrößen und Messergebnisse: 

  1. Ein für Kompost ungewöhnlich hoher Nährstoffgehalt (z.B. 2,5-3% N);
  2. Eine sehr niedrige elektrische Leitfähigkeit von unter 600 μS/cm;
  3. Die völlige Abwesenheit wasserlöslicher Nährstoffe;
  4. Ein sehr enges C:N-Verhältnis (unter 10);
  5. Eine hohe Kationen-Austauschkapazität von über 80 meq/100g;
  6. Hohe Dichte mit einem spezifischen Gewicht von über 820g/l;
  7. Eine hohe Wasserhaltekapazität von über 80%;
  8. Messbare Düngewirkung selbst bei Keimlingen (über 110%);
  9. Geruchlos;
  10. Völlig klares Stempelkannenfiltrat.

Die auf Biozyklischer Humuserde wachsenden Pflanzen zeigen ein ungewöhnlich üppiges Wachstum, mit einem bis zum Dreifachen höheren Ertragspotential als mit chemisch-synthetischen Düngemitteln erzielbar (EISENBACH et al., 2018). Trotz des zu beobachtenden Gigantismus der Pflanzen neigen beispielsweise Gemüsepflanzen nicht zur Verholzung. Auffällig sind der gute Geschmack, ein überdurchschnittlicher Fruchtansatz sowie ein bis zu viermal größeres Wurzelsystem im Vergleich zu Pflanzen, die in Erde gezogen wurden. Ein weiteres Merkmal ist eine nachweislich höhere Widerstandskraft gegenüber Pilzkrankheiten. Ebenso kann bei Direktsaat in Biozyklische Humuserde eine Beschleunigung der Keimphase beobachtet werden. 

Was ist biozyklische Humuserde, und welche Bedeutung hat sie für den Übergang zu einem biozyklisch-veganen Lebensmittelproduktionssystem

Biozyklische Humuserde kann zur Jungpflanzenanzucht, zur Gemüseproduktion in Gewächshäusern oder im Freiland, zur Neuanpflanzung von Büschen und Bäumen, zur Wiederaufforstung oder zur Düngung bestehender Pflanzenbestände eingesetzt werden. Durch die völlige Abwesenheit wasserlöslicher Nährsalze ist eine Überdüngung ausgeschlossen. Aus dem gleichen Grund geht von Biozyklischer Humuserde auch keine Grundwassergefährdung aus, wie man sie bei Einsatz von herkömmlichem Kompost berücksichtigen muss (SIEDT 2021). Humuserde kann daher in beliebigen Mengen eingesetzt werden. Eine Empfehlung in Hinblick auf eine Höchstmengenbeschränkung pro Hektar gibt es nicht. Beste Wachstumsergebnisse werden erzielt, wenn sich die Pflanzenwurzel in unmittelbarem Kontakt mit Humuserde befindet, was beispielsweise bei unvermischter Ausbringung in der Pflanzreihe oder bei einer hügelbeetähnlichen Bepflanzung der ursprünglichen Komposthügel der Fall ist.

2.2 Vom Veredelungsmaterial zur Bereitstellung von Humuserde

Die massenhafte Produktion von Humuserde durch kommerzielle Kompostanlagen stößt allerdings auf betriebswirtschaftliche Grenzen, da die Veredelungsphase von reifem Qualitätskompost hin zu Biozyklischer Humuserde bis zu fünf Jahre in Anspruch nehmen kann. Es ist beabsichtigt, dass an dieser Stelle der Biozyklische Humuserde-Fonds ansetzen und entsprechende Finanzierungsmodelle ausarbeiten wird, die es ermöglichen sollen, die Veredelungsphase auszulagern und das Material vertraglich verpflichteten, biozyklisch-vegan zertifizierten landwirtschaftlichen Betrieben zur Veredelung zur Verfügung zu stellen. 

Während die optimierte Herstellung von Qualitätskompost bis zum Stadium von Biozyklischem Pflanzkompost erhöhte Anforderungen an die Produktions- und Messtechnik stellt, die nicht auf jedem landwirtschaftlichen Betrieb erfüllt werden können und daher sinnvollerweise Aufgabe von Kompostanlagenbetreibern ist, kann die Veredelung zu biozyklischer Humuserde ohne großen technischen Aufwand auf einzelbetrieblicher Ebene stattfinden. Ein entsprechendes System zur dezentralen, aber dennoch koordinierten, sowohl verfahrenstechnisch als auch wissenschaftlich betreuten Veredelung großer Mengen an pflanzlichem Kompost zu Humuserde auf landwirtschaftlichen Betrieben in Kombination mit biozyklisch-veganen Anbauprogrammen befindet sich zurzeit in Vorbereitung. Der Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. steht dabei interessierten Landwirten gerne beratend zur Seite. 

Die Erbringung einer Veredelungsdienstleistung in Kombination mit biozyklisch-veganem Vertragsanbau erschließt den teilnehmenden Betrieben neue, zusätzliche Einkommensquellen.

2.3 Die Mikrobiologie hinter der Wirkung von Biozyklischer Humuserde

Ursache des ungewöhnlichen Wachstums- und Ertragsverhaltens von Kulturpflanzen, die auf Humuserde gezogen werden, ist die Tatsache, dass diese ähnlich wie bei Pflanzen, die sich in natürlichen Ökosystemen befinden, in denen ebenfalls keine wasserlöslichen Nährstoffe zur Verfügung stehen, „gezwungen“ werden, ihre natürlichen Nährstoffaufnahmemechanismen zu aktivieren, zu denen eine Vielzahl von Fähigkeiten zählen wie die Ausscheidung von Wurzelsäuren, die Verknüpfung mit Mykorrhizen oder die Symbiose mit freilebenden, Stickstoff sammelnden Bakterien (Azotobacter). Über die Aktivierung dieser Möglichkeiten ist die Pflanze in der Lage, selektiv den ihrem jeweiligen Wachstumsstadium entsprechenden Nährstoffbedarf auch ohne die Anwesenheit von im Wasser gelösten Nährstoffen zu decken. Die Tatsache, dass man Pflanzen mit Nährsalzen (konventionelle Landwirtschaft) und sogar in Nährsalzlösungen (Hydroponik) kultivieren kann, liegt an der mangelnden Fähigkeit der Pflanze, selektiv Nährstoffe zu absorbieren, sobald diese mit dem Wasser in das Pflanzengewebe gelangen. Auf dieser „Unfähigkeit“ beruht die gesamte Düngerlehre der modernen Landwirtschaft, welche basierend auf inzwischen beinahe 200 Jahren intensiver wissenschaftlicher Forschung an diesem Phänomen bei der Pflanzenernährung fast ausschließlich auf die Verabreichung von wasserlöslichen- mineralischen oder organischen – Düngemitteln setzt. Nicht zuletzt aufgrund der damit erzielten Erfolge bei der weltweiten Bekämpfung des Hungers im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, wurde der Tatsache, dass unter natürlichen Bedingungen Wasseraufnahme und Nährstoffzufuhr völlig unterschiedlichen Wirkmechanismen unterliegen, in der Forschung keine oder zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In jüngster Zeit entstehen daher vielerorts neue Forschungsbereiche, die sich diesem bislang unterrepräsentierten Wissensgebiet widmen (EISENBACH et al. 2019; PONGE 2022). 

Das bislang plausibelste Erklärungsmodell für die Eigenschaften von Biozyklischer Humuserde und deren Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum geht davon aus, dass es sich bei Biozyklischer Humuserde um ein kohlenstoffstabilisiertes Substrat handelt, in dem der ursprünglich organisch gebundene Kohlenstoff pflanzlichen Ursprungs durch den schnellen und unter Optimalbedingungen ablaufenden mikrobiellen Abbau in Verbindung mit symbiontischen Prozessen vorkristalline Gitterstrukturen angenommen hat, in denen hochkomplexe Nährstoffmoleküle vor der Auswaschung durch Wasser geschützt werden. Dabei konnte noch nicht geklärt werden, ob dieser Schutz allein durch die räumliche Struktur der für die Penetration von Wassermolekül-Clustern zu dichten Kohlenstoffaggregate oder durch eine Vielzahl von Mikroorganismen hervorgerufen wird, die innerhalb der entstandenen Strukturen ideale Lebensbedingungen vorfinden. Vor dem Hintergrund der Bedeutung der Kohlenstoffstruktur können Ähnlichkeiten zwischen Biozyklischer Humuserde und Terra preta nachgewiesen werden (FISCHER 2008), deren humuserdeähnliche Eigenschaften auf die Anwesenheit von Pflanzenkohle zurückzuführen sind. 

Untersuchungen aus dem Bereich der Bodenbiologie (JONES 2008) zeigen, dass bodenbildende Prozesse nicht nur durch Verwitterung des geologischen Ausgangsgesteins oder durch Abbauprozesse der im Boden befindlichen organischen Substanz ausgelöst werden, sondern in erster Linie von Pflanzen selbst. 

Über die Photosynthese assimiliert die Pflanze das in der Luft vorhandene Kohlendioxid, welches sie als Strukturelement zum Aufbau von Pflanzengewebe sowie Kohlenhydraten wie Zucker und Stärke benötigt. Hingegen kann die Pflanze nicht selbst den in der Atmosphäre mit 78% reichlich vorhandenen atomaren Stickstoff assimilieren, das Element, das hauptsächlich für den Aufbau von Eiweißen erforderlich ist. Hierzu ist sie auf die Mitwirkung von Bodenorganismen angewiesen, die sich unter natürlichen Bedingungen in unmittelbarer Umgebung der Feinwurzeln ansiedeln. Dabei kam es im Laufe der Evolution zu sehr engen Beziehungen, die bei Leguminosen sogar zu einer Symbiose von stickstoffsammelnden Bakterien im Inneren der Wurzel führten (die sogenannten Knöllchenbakterien), während andere wiederum als freilebende Azotobacter die Pflanzenwurzel mit Stickstoff von außen versorgen.

Ein nicht unerheblicher Teil der mithilfe der Photosynthese gebildeten Kohlenwasserstoffe werden von der Pflanze über die Wurzel wieder ausgeschieden und stehen als Baustoff und Energielieferant dort freilebenden Azotobactern zur Verfügung. Es entsteht zwischen der Wurzel und dem sie umgebenen Mikrobiom ein reger Stoffaustausch, der das Pflanzenwachstum stimuliert, während gleichzeitig große Mengen an Kohlenstoff zusätzlich zur entstehenden Pflanzen- und Wurzelmasse in den Boden geleitet werden und dort unter anderem an der Formation von vorkristallinen Gitterstrukturen beteiligt zu sein scheinen, welche – ähnlich wie der neuerdings häufig praktizierte Zusatz von Pflanzenkohle zu unreifem Kompost – dem reifenden Substrat zunehmend erdige Konsistenz verleihen. Die so entstehenden Strukturen scheinen mit Fortschreiten des Veredelungsprozesses immer bessere Voraussetzungen für die Ansiedlung von Azotobactern zu bieten. Die während der Veredelungsphase von Jahr zu Jahr steigenden Pflanzenmasseerträge können auf diese Weise plausibel erklärt werden. 

Die beobachtete Wirkung ist dabei umso stärker, je mehr Pflanzenarten gleichzeitig auf der Oberfläche der entstehenden Humuserde wachsen (Permakultur, Mischkultur). Hingegen werden die beschriebenen Mechanismen bei Monokulturen und unter Anwesenheit von Nährsalzlösungen nachhaltig ge- bzw. gänzlich zerstört. 

Es sind also besondere Bedingungen, die die Formation von Biozyklischer Humuserde ermöglichen bzw. begünstigen, welche in der Landwirtschaft herkömmlicher Prägung selten bis gar nicht anzutreffen sind. Die Degradierung der Böden verbunden mit dem Verlust an natürlicher Bodenfruchtbarkeit sowie die daraus entstehende Notwendigkeit einer ständigen externen Zufuhr an Stickstoff sind die Folge.

Ein Großteil des Bodenlebens ist also nicht mit dem Abbau organischer Substanz, sondern unmittelbar mit der Stickstoffversorgung der Pflanze beschäftigt. Hinzu kommen die vielfältigen Austauschmechanismen über Pilze, Mykorrhizen und Organellen. Dass diese Vorgänge eine hinreichende Versorgung des Bodens mit Luft (Sauerstoff und Stickstoff) bedingen, liegt auf der Hand. Die Pflanze fungiert in diesem faszinierenden Miteinander der Lebensformen als „Kohlenstoffpumpe“ aus der Atmosphäre in den Boden, während die große Gruppe der Azotobacter den Luftstickstoff über den Boden der Pflanze zugänglich machen. So beginnt der „Biozyklus“, also der „Lebenskreis der Fruchtbarkeit“ in der dünnsten aller Umhüllungen unseres Planeten, der Rhizosphäre, welche neben der Versorgung mit Wasser und Luft die Voraussetzung für das Überleben der Menschheit darstellt. 

Da man inzwischen zu der Erkenntnis gekommen ist, dass die Vorgänge im Boden wesentlich komplexer als bisher vermutet sind, wird der Ruf nach interdisziplinären Ansätzen bei der Erforschung der nach vor weitgehend unbekannten Mechanismen im Zusammenhang mit der Entstehung natürlicher Bodenfruchtbarkeit durch Bodenbildung und Humusaufbau immer lauter (PONGE 2022). 

Was ist biozyklische Humuserde, und welche Bedeutung hat sie für den Übergang zu einem biozyklisch-veganen Lebensmittelproduktionssystem

2.4 Beitrag von Biozyklischer Humuserde zur Transformation der Landwirtschaft

Man hat bereits erkannt, dass die oben angesprochenen, pflanzeninduzierten Bodenbildungsprozesse durch die Anwesenheit von Salzen, also wasserlöslichen Nährstofflösungen, und auch durch die Aussaat oder das Anpflanzen von Monokulturen behindert bzw. unwiederbringlich zerstört werden. Da die Menschheit seit der Sesshaftwerdung Landwirtschaft bislang immer mit der Verabreichung mehr oder weniger wasserlöslicher Düngermittel, ob in Form von unverrottetem oder flüssigem tierischen Dung oder seit ca. 100 Jahren auch in Form von chemisch-synthetischen Mineraldüngern bei zunehmender Vernachlässigung von Mischkultursystemen verbunden hatte, bestand historisch gesehen permanent die Gefahr der Bodendegradierung und des mit dem Verlust der natürlichen Bodenbildungsprozesse verbundenen rapiden Rückgangs an Bodenfruchtbarkeit. Die Intensivierung der Landwirtschaft mit den bisher angewandten Methoden wird bei weiter steigender Weltbevölkerung zu einem beschleunigten Verlust an Bodenfruchtbarkeit führen, was in Verbindung mit den Auswirkungen des immer stärker spürbaren Klimawandels künftig die Gefahr von Nahrungsengpässen erhöhen wird.

Mit der Herstellung von Biozyklischer Humuserde gelingt uns somit zum ersten Mal, die in natürlichen Ökosystemen anzutreffenden, pflanzeninduzierten Bodenbildungsprozesse nicht nur zu imitieren, sondern auch mit Hilfe des konzentrierten Nährstoffangebots im Zuge des oben beschriebenen biozyklischen Kompostierungsverfahrens zu potenzieren und damit dem Menschen unmittelbar für die Landwirtschaft zunutze zu machen. 

Dabei ist die Herstellung von Biozyklischer Humuserde bereits ab Reifegrad V gemäß RAL Kategorisierung der Kompostgütegemeinschaft ein landwirtschaftlich-produktiver Prozess, bei dem im Rahmen des biozyklisch-veganen Anbaus nach dem mehrstufigen biozyklischen Veredelungsverfahren hochwertiges Gemüse angebaut werden kann.

Durch die bisherigen Ausführungen dürfte verständlich geworden sein, dass der Anbau von Gemüse in Mischkultur nicht nur eine mögliche Nutzung der für die Veredelung zu Humuserde eingesetzten Mengen an Kompost, sondern sogar ursächlich für die Entstehung von Humuserde ist. Durch die gegenüber den in natürlichen Ökosystemen anzutreffenden, um ein Vielfaches verbesserten Wachstums- und Vermehrungsbedingungen der am Pflanzenwachstum beteiligten Mikroorganismen spielen sich die in der Natur nur langsam ablaufenden Vorgänge während der Veredelungsphase von Kompost hin zu Biozyklischer Humuserde im Zeitraffer ab. Kulturen mit im Zeitablauf des Veredelungsprozesses steigendem Ertrags- und Wertstoffpotenzial sind die Folge. Dabei kommt es zu einer merklich höheren Ausnutzung des genetischen Potentials der kultivierten Pflanzen.

All diese Wirkungen stehen in Zusammenhang mit der besonderen, biologisch hochaktiven Molekularstruktur von Biozyklischer Humuserde, die unter anderem auch für die dauerhafte Bindung von Kohlenstoff im Boden verantwortlich ist. Berechnungen haben ergeben, dass 2,5 t Humuserde ca. 1 t CO2-Äquivalenten entsprechen (VHE 2020). Dieses im Vergleich zu anderen Formen organischer Substanz deutlich erhöhte Sequestrierungspotential von Biozyklische Humuserde versetzt die Landwirtschaft in der Lage, vom Mitverursacher des Klimawandels zum Teil der Lösung bei dessen ursächlicher Bekämpfung zu werden. Wenn man dann noch die Möglichkeit eines effizienten Grundwassersschutzes trotz der intensiven Form der Gemüseproduktion und den Anstieg an Bodenfruchtbarkeit auf einer global tendenziell schrumpfenden Produktionsfläche zum Beispiel auch auf bislang unfruchtbaren oder sogar urbanen Standorten („Urban Farming“ oder „Vertical Farming“) in Betracht zieht, wird deutlich, dass die Schaffung von Bedingungen, die die Entstehung von Biozyklischer Humuserde begünstigten, ein hohes Transformationspotential für die Landwirtschaft der Zukunft besitzt. 

Zusammenfassung

Biozyklische Humuserde stellt bereits während ihrer Erzeugung ein Substrat für die Produktion von Qualitätsgemüse dar, das den Anforderungen der Biozyklisch-Veganen Richtlinien entspricht, da darin keinerlei Bestandteile aus der kommerziellen Tierhaltung verarbeitet oder verabreicht werden. Biozyklische Humuserde stellt darüber hinaus einen dauerhaften Kohlenstoffspeicher dar, der im Gegensatz zu anderen Formen organischer Düngung wie Mist, Gülle, Jauche, Kompost, Mulchen oder Gründüngung keinem weiteren mikrobiellen Abbau unterliegt, wodurch der in Biozyklischer Humuserde entstehende vorkristalline Kohlenstoff nicht mehr in die Atmosphäre entweichen kann. Aufgrund ihrer makromolekularen Struktur ist Biozyklische Humuserde auch nicht mehr auswaschungsgefährdet und stellt daher keine Umweltbelastung im Sinne der Düngemittelverordnung dar. Auf Biozyklischer Humuserde in Mischkultur wachsende Pflanzen bilden Symbiosen mit einer Vielzahl an Bodenorganismen, sie unter anderem auch auf die Bindung von atmosphärischem Stickstoff im Boden spezialisiert sind. In Verbindung mit den in Humuserde reichlich vorhandenen Mineralien führt die Verfügbarmachung dieses Stickstoffs zu Erträgen, die weit über dem nicht nur im ökologischen, sondern auch im konventionellen Landbau derzeit üblichen Niveau liegen. Damit ersetzt Biozyklische Humuserde sowohl tierische als auch chemisch-synthetische Düngemittel, sichert die Welternährung und trägt aktiv zum Klima- und Umweltschutz bei. Davon, ob es gelingen wird, weltweit große Mengen an Biozyklischer Humuserde zu produzieren, wird abhängen, wie schnell und wie deutlich die damit verbundene Hebelwirkung für die Transformation der Landwirtschaft zum Tragen kommt. 

Verweise

  1. D. EISENBACH, A. FOLINA, C. ZISI, I. ROUSSIS, I. TABAXI, P. PAPASTYLIANOU, I. KAKABOUKI, A. EFTHIMIADOU, D. J. BILALIS, «Effect of Biocyclic Humus Soil on Yield and Quality Parameters of Processing Tomato (Lycopersicon esculentum Mill.)», Bulletin UASVM Horticulture 76(1) / 2019, pp. 47-51, 2019.
  2. D. EISENBACH, A. FOLINA, C. ZISI, I. ROUSSIS, I. TABAXI, P. PAPASTYLIANOU, I. KAKABOUKI, A. EFTHIMIADOU, D. J. BILALIS, «Effect of Biocyclic Humus Soil on Yield and Quality Parameters of Sweet Potato (Ipomoea batatas L.)», Scientific Papers. Series A. Agronomy, Vol. LXI, No. 1, 2018, pp. 210-217, 2018.
  3. FISCHER, B. GLASER, «Synergisms between Compost and Biochar for Sustainable Soil Amelioration», Halle 2012.
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  5. Kögel-Knabner, K. Ekschmitt, H. Flessa, G. Guggenberger, E. Matzner, B. Marschner, M. von Lützow, «An integrative approach of organic matter stabilization in temperate soils: Linking chemistry, physics, and biology. », Journal of Plant Nutrition and Soil Science. 171: pp. 5-13, 2008.
  6. T. LINTZEN, «Kompost-/Champostdüngung, was gilt es düngerechtlich zu berücksichtigen?», Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Ökologischer Acker- und Feldgemüseanbau- Ökoteam. Informationsdienst Nr. 23 vom 12.11.2020
  7. J.-F. PONGE, «Dark side of life or intractable “aether”?», Article. Pedosphere, April 2022.
  8. Siedt, A. Schäffer, K. E.C. Smith, M. Nabel, M. RoSS-Nickoll, J. T. van Dongen, «Comparing straw, compost, and biochar regarding their suitability as agricultural soil amendments to affect soil structure, nutrient leaching, microbial communities, and the fate of pesticides.», Review. Science of the Total Environment 751, 2021.
  9. VHE – VERBAND DER HUMUS- UND ERDENWIRTSCHAFT e.V., «Humusaufbau – Der Landwirt als Klimawirt», HuMussLand, Informationen über Kompostprodukte für Landwirte Nr.7, 2020.

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